Tag 6 der Schottlandtour: Balmacara – Oban (18. Juli 2013)

Tag 6

Als ich heute morgen aufstand und meine Motorradsachen begutachtete, konnte ich feststellen, dass bis auf die noch leicht feuchten Handschuhe alles andere gut getrocknet worden war. Mein Dank galt dem Hotelmanagement, das in weiser Voraussicht auch im Juli die Wärmepumpe der Heizung in Betrieb hatte! Nach dem wie immer opulenten Frühstück – langsam kann ich die fetten Würstchen nicht mehr sehen – packte ich zusammen und fuhr nach Kyle of Lochalsh, dem letzten Ort vor der Skye Bridge, um zu tanken. Da ich schon mal hier war, nahm ich die Gelegenheit wahr und querte die berühmte Brücke, drehte sofort im dahinterliegenden Kreisverkehr wieder um und machte mich auf den Weg zum wohl bekanntesten Wahrzeichen Schottlands, dem Eilean Donan Castle. Das Wetter war einigermaßen frisch bei dunklen Wolken, aber nach dem gestrigen Abenteuer war ich heilfroh, dass es nicht wieder regnete. Bei der Burg war wie zu erwarten einiges los. Meine NC stand etwas verloren zwischen Mietwagen, Reisebussen und Wohnmobilen aus ganz Europa, die sich auf dem großen Parkplatz tummelten. Doch da fiel mir eine Triumph Tiger 800 auf, die soeben einparkte. Als alter Fahrer dieser Marke musste ich natürlich vorbeistiefeln und hallo sagen. Die Fahrerin, Kate, war auf ihrer ersten größeren Tour durch Schottland, und als ich ihr sagte, dass ich gerade den Norden durchquert hatte, wollte sie wissen, was sie sich ansehen sollte. Also packte ich meinen Fotoapparat aus und zeigte ihr einige der schönen Strände, Landschaften und Sehenswürdigkeiten, die sie auf ihrer Karte markierte. Nach einem kurzen Plausch kaufte ich meine Eintrittskarte und besichtigte die Burg, die erst in den 1920-30ern wieder aufgebaut worden war, nachdem die Engländer sie 1719 in die Luft gejagt hatten.

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Die Besichtigung dauerte länger als erwartet, und ich trat meine Weiterfahrt erst gegen 11 Uhr an, was bei der geplanten vor mir liegenden Strecke bis Oban reichlich spät war. Die Straße war jedoch sehr gut ausgebaut, und so kam ich trotz relativ starkem Verkehr gut voran. Beim Gefechtsfeld von Glen Shiel hielt ich kurz an. Hier hatten die Regierungstruppen, die zuvor Eilean Donan zerstört hatten, die Jakobiten und die sie unterstützenden Spanier eingeholt und zum Kampf gestellt. Der Battle of Glen Shiel vom 10. Juni 1719 beendete diesen Aufstand, da sich die Jakobiten zurückzogen und die Spanier sich ergaben. Dann herrschte einigermaßen Ruhe bis 1745. Ein historischer Abriss zu den Jakobiten und ihren Bestrebungen, den schottischen Thron wiederzugewinnen findet sich hier.

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Um Zeit aufzuholen, fuhr ich nicht wie geplant über Invermoriston und Fort Augustus, sondern kürzte die Strecke ab, indem ich die Route Loch Garry und Invergarry Richtung Fort William nahm. Beim Commando Memorial in der Nähe von Spean Bridge hielt ich erneut an. Es wurde zum Andenken an die britischen Elitetruppen des 2. Weltkrieges in der Nähe ihres Ausbildungszentrums errichtet. Ein „Garten der Erinnerung“ für u.a. in Afghanistan gefallene Soldaten macht die Tragik des Krieges und den Schmerz der Hinterbliebenen sehr deutlich. Viele ehemalige Elitesoldaten lassen nach ihrem Tod ihre Asche an dieser Stelle verstreuen, um ihren alten Kameraden nahe zu sein.

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Bei der Ben Nevis Distillery in Fort William querte ich den River Lochy und fuhr die 15 Meilen nach Glenfinnan am Loch Schiel. Hier war Bonnie Prince Charlie im Jahre 1745 gelandet, um zu versuchen, seinen Anspruch auf die Kronen Schottlands und Englands durchzusetzen. Dieser letzte Jakobitenaufstand endete am 16. April 1746 auf dem Schlachtfeld von Culloden Moor, das ich am ersten Tag der Schottlandtour besucht hatte.

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Die Strecke, der ich nach einem längeren Aufenthalt nun folgte, war gut ausgebaut und landschaftlich sehr ansprechend. Sie führte zuerst am Loch Eilt entlang, bevor sie am Loch Eilort zur Küstenstraße wurde, die auf dem schmalen Streifen zwischen Meer und teils schroffen Felswänden verlief.

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Kurz nachdem die Straße wieder landeinwärts führte, wurde sie zur single track road, die mich für mehrere Stunden begleiten würde. In Salen gabelte sich die Strecke. Nach rechts ging es über Kilchoan nach Sanna zu einem der schönsten Strände Schottlands sowie zum Leuchtturm am Ardnamurchan Point, der als „mainland Great Britain’s westernmost point“ gilt, geradeaus führte die Route über Strontian nach Corran, wo der Loch Linnhe mittels Fähre zu queren ist. An der Kreuzung standen zwei Motorradfahrer aus Deutschland, von denen einer ziemlich erledigt über dem Lenker hing und heftig den Kopf schüttelte. Eine gewisse Vorahnung befiel mich ob der zu erwartenden Strecke, und ich zögerte einen Augenblick lang abzubiegen. Doch dann dachte ich mir: „Wenn Du schon den nördlichsten Punkt bei Dunnet Head besucht hast, kannst Du den westlichsten ebenfalls sehen!“ Dann fuhr ich los. Auch hier war die Landschaft sehr schön. Eine äußerst kurvige single track road führte durch Wälder und kleine Dörfer teilweise direkt am Meer entlang; die Wolkendecke war mittlerweile aufgerissen und die Sonne tauchte die Meeresbuchten in warmes Licht. Doch die hügelige Strecke schien kein Ende nehmen zu wollen. Nach dem sehr anstrengenden Tag gestern und den vielen Meilen, die heute bereits hinter mir lagen, fühlte ich mich ziemlich gerädert. Eine unübersichtliche Kurve folgte der nächsten, und hinter jeder konnte ein unvorsichtiger LKW oder PKW Fahrer auf Kollisionskurs sein. Einige Male musste ich scharf abbremsen und Zuflucht in einer Ausweichbucht nehmen, da urplötzlich die enge Straße komplett durch ein entgegenkommendes Fahrzeug versperrt war, das mit unverhältnismäßiger Geschwindigkeit unterwegs war. Das strengte sehr an, und langsam bekam ich genug von single track roads…

Auf der kleinen Halbinsel Ardslignish musste ich eine kurze Pause einlegen. Die Fotos zeigen den Loch Sunart, einen Teil des Sound of Mull, mit Blick auf Isle of Mull. Die andauernde Konzentration, die bisher zurückgelegte Distanz und die plötzliche Wärme führten zu starker Müdigkeit, die ich in Anbetracht der weiteren Strecke möglichst rasch wieder loswerden musste. Der Gedanke, die etlichen Meilen single track road bis Salen wieder zurückfahren zu müssen, war eher unerfreulich.

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Dieses Unbehagen wurde schließlich so stark, dass ich beim Loch Mudle den Ausflug nach Sanna und zum Leuchtturm am Ardnamurchan Point abbrach und umkehrte. Vielleicht kann ich das ja ein anderes Mal nachholen!  Für heute war es definitiv zu viel für mich.

Die sinlge track road zog sich noch bis nach Strontian, erst danach wurde die Straße zweispurig. Sie führte durch ein so einsames Tal zwischen Bergen hindurch, dass ich nach einiger Zeit bei der Kreuzung nach Kingairloch anhielt und meine Karte zu Rate zog, da ich den Eindruck hatte, mein Navi hätte mich falsch geleitet. Ich hatte schon seit längerer Zeit erwartet auf den Loch Linnhe zu stoßen, aber der war weit und breit nicht in Sicht. Der eine Wegweiser zeigte zurück nach Strontian, der andere vorwärts nach Ardgour, das ich vergeblich auf meiner Karte suchte. Das erschien mir etwas seltsam zu sein. In Ermangelung von Optionen fuhr ich weiter und siehe da, bald danach tauchte ein Loch und ein paar Meilen weiter der Leuchtturm auf, der sich kurz vor dem Anlegeplatz der Corran Fähre befindet. Diese war gerade im Begriff anzulegen. Mir wurde ein Platz angewiesen, und ich wartete darauf, dass jemand kam, um die Bezahlung entgegenzunehmen, aber dem war nicht so. Auch gut!

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Am anderen Ufer angekommen, wollte ich nur noch möglichst rasch nach Oban. Die Umfahrung des kleinen Loch Leven schenkte ich mir, ebenso den Besuch von Glencoe samt Massaker vom 13. Februar 1692. Der Verkehr hatte stark zugenommen, zwischenzeitlich stand ich sogar im Stau, da größere Landwirtschaftsmaschinen auf der Straße unterwegs waren, die in Abschnitten von der Polizei gesperrt wurde. Kurz vor Oban tankte ich und erreichte schließlich mein Quartier für die beiden nächsten Nächte, Blair Villa in der Rockfield Road. Vor dem Haus standen bereits vier Motorräder mit belgischem Kennzeichen. Ein fünftes war da ganz gut aufgehoben!

Mir wurde mein Zimmer mit Blick auf den Hafen zugewiesen, und ich schmiss mich erstmal für eine Stunde aufs Bett, sehr froh darüber, gut angekommen zu sein.

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Als sich der Hunger meldete, ging ich an den Hafen, um mich über die Fährtickets nach Craignure auf der Isle of Mull zu informieren. Der Schalter der Caledonian MacBrayne war aber bereits geschlossen, und so spazierte ich ein wenig den Pier und die Hafenstraße entlang, um ein Restaurant zu finden. Die Stimmung war herrlich. Obwohl die Sonne schien, zog plötzlich eine Nebelbank in den Hafen und hüllte die alten Segelschiffe, die dort vor Anker lagen, in diffuses Licht. Ich fand ein kleines Lokal im ersten Stock eines Hauses direkt am Hafen und nahm als einziger Gast am Fenster Platz. Eines der Segelschiffe hatte soeben abgelegt und strebte aufs offene Meer hinaus, die Möwen kreischten, der würzige Geruch der See war allgegenwärtig – es war großartig! Einzig das Premium Bitter namens „Terror Of Tobermory“, welches ich zu meinen Macaroni and Cheese zu mir nahm, entsprach nicht den Erwartungen, die sein Name suggerierte.

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Ich hatte für den morgigen Tag vorgehabt, mit der Fähre nach Craignure und dann mit der NC die single track road nach Fionnphort zur Fähre nach Iona zu fahren. Nach dem Besuch der alten Pilgerstätten wollte ich noch die gesamte Insel umrunden und mich am späten Nachmittag wieder in Craignure einschiffen. Nach meiner Überdosis single track roads der letzten Tage brauche ich aber eine Pause. Ich werde mir morgen früh um 8:30 Uhr bei Bowmans Tours ein Ticket für eine Bustour nach Mull und Iona besorgen und die NC einen Tag lang stehenlassen. Das wird mir gut tun.

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2 Gedanken zu „Tag 6 der Schottlandtour: Balmacara – Oban (18. Juli 2013)

  1. Ich bin Schotte, nach einigen Jahren in Deutschland jetzt wieder in Schottland wohnhaft aber Sie haben viel mehr von meinem Land gesehen als ich es je getan habe. Was Sie hier schreiben und beschreiben ist wunderbar und ich will unbedingt Ähnliches sehen und erleben, wenngleich bei besserem Wetter!. Aber die Schlacht von Culloden fand am 16 April 1746 statt.

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